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Sphragistik

30. Mai 2017 | Kultur, Wissensbisse, Wissenschaft und Bildung
Sphragistik

Sphragistik ist die Siegelkunde, die wiederum ein Teil der historischen Hilfswissenschaften ist. Sie beschäftigt sich mit der Entwicklung und Ausformung des Siegelwesens und zeigt dabei Entwicklungslinien auf, die in anderen Bereichen der Geschichte oft sehr hilfreich sein können.

So lassen sich etwa anhand von Siegeln persönliche und institutionelle Entwicklungen gut belegen, Urkundenfälschungen aufdecken und vieles mehr.

Als Kleinplastiken sind Siegel aber auch Teil der Kunstgeschichte. An ihnen lassen sich auch kunsthistorische Entwicklungen gut aufzeigen. Siegel folgen immer einem gewissen „Zeitgeschmack“ und dokumentieren damit gut kunsthistorische Entwicklungen. So tauchen zum Beispiel mit dem Aufkommen der Gotik, deren unverkennbares Stilelement der Spitzbogen ist, auch spitzovale Siegel in unseren Breiten auf.

Schließlich sind Siegel aber auch Belege der Macht und damit auch Teil einer gewissen Art von Propaganda. Personen und Institutionen lassen sich so darstellen, wie sie sich gerne selber sehen, und nehmen auf die tatsächlichen Gegebenheiten oder den Alltag dabei kaum Rücksicht. So werden etwa Kaiser und Könige in der Regel würdig auf Thronen sitzend mit der Krone am Haupt und einem Szepter, Schwert oder Reichsapfel in der Hand dargestellt. Herzöge erscheinen kämpfend mit Lanze und Schwert bewaffnet und kirchliche Würdenträger treten in den Pontifikalien auf, also mit Mitra und Krummstab, die sonst nur in der Messe tragen aber sicher nicht im Alltag.

Abgesehen von stilistischen Kriterien sind Siegel durch drei Eigenschaften geprägt:

  1. dem Material,
  2. der Farbe und
  3. der Größe.

Material

Diese drei Parameter stechen als erstes ins Auge und sagen auch schon viel über Rang und Stellung des Sieglers aus. Bestimmte Materialen und Farben kommen nur bei bestimmten Sieglers vor und auch aus der Größe lassen sich Rückschlüsse über den Rang, aber auch über das Selbstverständnis des Sieglers ziehen.Der häufigste Siegelstoff, vor allem nördlich der Alpen, ist zunächst mit Abstand das Wachs. Kaiser, Könige, Erzbischöfe, Bischöfe, Herzöge, Ministerialen, Adelige, Stifte, Städte etc. siegeln mit diesem Material. Wachs ist der übliche Siegelstoff des Mittelalters. Daneben werden aber auch Metalle als Siegelstoffe verwendet.

Das häufigste Metall, mit dem gesiegelt wurde, ist Blei. Das Wort „verplomben“ allein sagt schon aus, welches Material verwendet wurde, denn das Wort stammt vom lateinischen Plumbum ab, auf Deutsch Blei. Vor allem Päpste greifen als Siegler bis heute auf Bleibullen zurück.
Das zweithäufigste Siegel-Metall ist Gold. Bis heute üben Goldsiegel eine besondere Faszination und Wertigkeit aus. Bei der Siegelung in Gold gilt es zwei Arten: die klassische Goldbulle, die aus zwei Goldplättchen besteht, die auf einem Rand aufgebracht werden. Sie ist innen hohl oder mit anderen Materialien aufgefüllt. Die zweite Art von Goldsiegeln sind die sehr seltenen massiven Goldsiegel. Noch seltener als massive Goldsiegel sind Silbersiegel. Sie kommen noch am ehesten als vergoldete Silbersiegel vor. Reine Silbersiegel sind extrem selten.

Der (rote) Siegellack, mit dem wir Siegel heute in erster Linie verbinden ist eine vergleichsweise junge Erfindung. Er lässt sich erst seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nachweisen. Siegel aus Oblaten bzw. Papier sind ebenfalls erst seit dem 16. Jahrhundert bekannt. Ihre große Zeit ist dann das 18. Jahrhundert. Auch sie werden bis heute in Kanzleien verwendet.

Farbe

Bezüglich der Farbe versteht sich von selbst, dass Bleibullen silbrig-bleifarben sind und Goldbullen golden sind. Viel größer ist hingegen die Farbpalette bei Wachssiegeln, die seit der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts gefärbt wurden. Die gewünschten Farben erhielt man durch Beimischung bestimmter Stoffe. Rote Siegel erzielte man durch Beigabe von Zinnober oder Mennige, grüne durch Grünspan, blaue wahrscheinlich durch Kobalderz und schwarze durch Ruß. Rot und Grün waren dabei die beliebtesten Farben.

Während die Farbe von Wachsiegeln ein und desselben Typars (Stempels) durchaus verschieden sein können, ist das bei der Größe nicht der Fall. Das ist auch einfach erklärt: Man kann ein Typar in ganz unterschiedlich gefärbte Wachse drücken, an der Form des Typars ändert sich dadurch nichts.

Größe

Bei Blei- und Goldbullen ist die Größe relativ statisch. Die päpstlichen Bleisiegel sind in der Regel zwischen um 3,2 bis 3,5 cm groß, mit leichten Abweichungen nach oben und unten. Ganz ähnlich verhält es sich mit den kaiserlichen Goldbullen die zwischen 4 bis 4,5 cm im Durchmesser groß sind.

Bei den Wachssiegeln ist die Bandbreite hingegen viel größer. Sie fangen bei 2 cm an und können bis zu 10 cm groß werden. Auffällig ist dabei, dass hohe Würdenträger größere Siegel führen als jene die im Rang unter ihnen stehen. So bewegen sich etwa die Siegel der Salzburger Erzbischöfe im Hochmittelalter zwischen 5 und 8,5 cm. Sie selbstbewussten Bischöfe von Gurk bewegen sich zwischen 5,5 bis 8 cm. Etwas kleiner sind die Siegel der Bischöfen von Seckau. Sie bewegen sich zwischen 5 bis 6,6 cm. Im monastischen Bereich beginnen Siegel ab einer Größe von 2 cm Durchmesser. Eine besondere Kleinheit eines Siegels kann auch ein Ausdruck frommer Bescheidenheit sein. So fallen etwa Zisterzienser-Siegel nicht nur durch die seltene Farbe Grün auf, sie sind mit 3 bis 4 cm Größe auch relativ klein. Dazu kommt, dass der Name des Würdenträgers, oft nicht genannt wird. Der Grund dafür liegt darin, dass das Generalkapitel der Zisterzienser im Jahr 1200 festlegte, dass das Abtsiegel ohne Namensnennung und in sehr schlichter Form zu gestalten sei.

 

 

Weiterführende Literatur: Toni Diederich, Siegelkunde. Wien-Köln-Weimar 2012 | Wilhelm Ewald, Siegelkunde. Darmstadt 1969 | Erich Kittel, Siegel. Braunschweig 1970

Text und Bilder von: Markus Simmerstatter (GLK, NBK, NMG). Aus: Farbe, Form und Schrift auf mittelalterlichen Siegeln anhand von exemplarischen Beispielen. Unter besonderer Berücksichtigung der Steiermark (Masterthesis). Graz 2017

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