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Wieso trittst Du bei der Europawahl an?

Die Zukunft Europas ist mir ein Herzensanliegen und spielt eine ganz wichtige Rolle für mein politisches Engagement.

Es ist mir wichtig, mit meiner Kandidatur die integrationsfreundlichen Kräfte gegen die Populisten und Nationalisten zu stärken. Darum habe ich letztes Jahr gemeinsam mit unserer Europaabgeordneten Angelika Mlinar ein Buch herausgegeben – „Liberale Perspektiven für Europa“ – darum kandidiere ich jetzt auf der Liste der NEOS für das Europäische Parlament.

 

Welche Werte erachtest Du in Deiner politischen Arbeit als zentral?

Ich bin ein gläubiger Katholik. Die Prinzipien der Katholischen Soziallehre spielen für mein politisches Denken genauso eine Rolle, wie die großartige Befreiungs- und Freiheitsgeschichten, welche die jüdisch-christliche Tradition von Anfang an prägten. Liberal und christlich sind kein Widerspruch!

 

Vielerorts wird kritisiert, dass sich die Europäische Union von ihren christlichen Wurzeln immer weiter entfernt und so einer Islamisierung den Weg ebnet. Wie stehst Du dazu?

Ich glaube an eine freie Kirche in einer freien Gesellschaft – gerade um der Freiheit der Kirche, der Freiheit aller Religionsgemeinschaften willen. Der religiös neutrale Staat ist natürlich auf Werte angewiesen, die er selbst nicht produzieren kann, wie das der jüngst verstorbene deutsche Verfassungsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde so treffend dargestellt hat. Gerade in einer zunehmend religiös und weltanschaulich pluralen Gesellschaft bedeutet Religionsfreiheit für mich umso mehr, dass der Staat religiös „enthaltsam“ sein sollte – durchaus wohlwollend, aber neutral.

 

Du warst Kartellsenior des MKV und hast dein Doktorat in katholischer Fachtheologie gemacht. Wie kommst Du zu einer Partei, die diesen beiden Aspekten teils diametral entgegenstehende Ideale vertritt (Stichwort Familienbild), und wie sieht Dein persönlicher Glaubensbezug aus?

NEOS steht weder der Theologie noch dem MKV diametral gegenüber. Ja, wir sind in der Bewertung von Religion sicher breiter als manch andere Partei, wir haben von praktizierenden Christen bis zu Atheisten vieles in unseren Reihen. Uns eint ein gemeinsames Grundverständnis des religiös und weltanschaulich neutralen Staates und viele praktische Anliegen, die uns verbinden.

Mein persönlicher Glaubensbezug und -vollzug hat mit politischen Positionen im Regelfall wenig zu tun, solange sich diese nicht widersprechen.

Meinen Glauben lebe ich in meiner Pfarrgemeinde, in meiner Familie – politische Parteien, weder früher die ÖVP noch jetzt NEOS, sind für mich keine religiösen Bezugsgrößen.

 

Im Jahr 2017 wurde von der Europäischen Kommission das „Weißbuch zur Zukunft Europas“ mit fünf Visionen für den Fortbestand der EU präsentiert. In welche Richtung bewegt sich die EU Deiner Meinung nach und welchen Pfad sollte sie tatsächlich einschlagen, um zukunftsfähig zu sein?

Wenn ich mir die Herausforderungen der Gegenwart ansehe – vom Klimawandel über die Digitalisierung hin zu Migration und demografischer Entwicklung – fallen mir wenig Fragen ein, die wir im nationalstaatlichen Kleinklein signifikant besser lösen könnten als gemeinschaftlich. Auch in den politischen Diskussionen, die ich in den letzten Wochen und Monaten geführt habe, konnte mir niemand erklären, welche der aktuellen Kompetenzen die Union besser abgeben sollte. Nein, wir brauchen nicht weniger Gemeinschaft, sondern eine bessere, effektivere und effizientere Union. Deshalb treten wir NEOS für eine Weiterentwicklung in Richtung der „Vereinigten Staaten von Europa“ ein, der Entwicklung eines neuen europäischen Souveränitätsverständnisses, denn nur gemeinsam als geeintes Europa werden wir die großen Herausforderungen der Zeit bewältigen können.

 

Die große EU-Euphorie der 1990er und 2000er-Jahre ist vorbei, heute ist in Europa eher ein erstarkender Patriotismus der Einzelstaaten und die Rückkehr zur Nation zu beobachten. Siehst Du das als Gefahr oder Chance?

Ich sehe das, nach der letzten Antwort vielleicht wenig verwunderlich, als Gefahr. Nicht weil ich grundsätzlich etwas gegen Nationalstaaten hätte oder weil das sofort wieder Krieg bedeuten würde – das glaube ich nicht einmal. Sondern weil die Nationalstaaten Europas schlicht zu klein sind, um in der Welt des 21. Jahrhunderts ihren Bürgerinnen und Bürgern Frieden, Sicherheit und Wohlstand zu garantieren. Und weil der neu aufkommende Nationalismus oft genug mit Populismus einhergeht -sieht Großbritannien, Ungarn oder Polen. Und wer bisher noch Zweifel an der Unfähigkeit der Populisten zur Lösung von Problemen haben dürfte, ist herzlich eingeladen nach Großbritannien zu schauen: Der Brexit ist das Ergebnis eines rückwärtsgewandten Populismus, der die Briten noch teuer zu stehe kommen wird.

 

Welche Konsequenzen ziehst Du daraus für Deine Arbeit?

Ich glaube an die Macht des Arguments, der rationalen Auseinandersetzung und daran, dass sich das Richtige langfristig auch als das Mehrheitsfähige erweisen wird.

Eine Politik der Angst – und von der leben alles Populisten, ob links oder rechts – wird keine mutigen und neuen Lösungen hervorbringen. Wir leben in einer spannenden Zeit und das Einzige, was wir wissen –und auch daran glauben sollten – ist, dass man mit Rezepten des 20. Jahrhunderts nicht weit kommt.

 

Was sind Deine Forderungen bei der kommenden Europawahl, und was erwartest Du Dir persönlich davon?

Ich trete für eine starke Bildungs- und Innovations-Union ein.

Der wichtigste Rohstoff, den wir in Europa haben, sind unsere Kinder.

Diesen müssen wir die besten Schulen, die besten Universitäten zur Verfügung stellen, wir müssen der nächsten Generation die Möglichkeit geben, ihre Kreativität umzusetzen und ihrer Neugier freien Lauf zu lassen. Wir brauchen neue Ideen, neue Erfindungen, neue Technologien, um im globalen Wettbewerb zu bestehen und unseren Wohlstand zu bewahren. Wir sind etwa 7 % der Weltbevölkerung, erwirtschaften immer noch 23 % der globalen Wirtschaftsleistung und zahlen 50 % der globalen Sozialleistungen – die nachhaltige Absicherung dieses Gesellschaftssystems ist nur durch eine globale Wettbewerbsfähigkeit möglich. Bildung ist die Zukunftsfrage Europas!

Ich freue mich, dass ich im laufenden Wahlkampf beitragen kann, diese Themen zu setzen, darüber in die Diskussion zu kommen und damit meinen Beitrag leiste, über die wirklich wichtigen Fragen zu reden.

Zur Person:

Dr. Stefan Zotti (NMW) studierte katholische Fachtheologie und ist Selbständiger sowie Lektor an der FH Burgenland. Daneben arbeitet er seit März 2019 als Senior Consultant in der renommierten internationalen Politikberatungsagentur Jurka Political Strategic Advisors GmbH. Von 2014 bis 2018 war er Geschäftsführer des Österreichischen Austauschdienstes (OeAD-GmbH) und Vorstand der Innovationsstiftung für Bildung. Zuvor war er als Fachexperte für Wissenschafts- und Bildungsfragen sowie General Policy im Nationalrat, im Wissenschaftsministerium und in der Europäischen Kommission tätig.

 

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