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Europa besser machen

Ich weiß ja gar nicht, ob ich das schon verraten darf, aber wenn man auf Platz 25 eines Wahlvorschlags steht, hat man eh ein bisschen mehr Narrenfreiheit. Also: Die Volkspartei hat ein Plakatmotiv in petto, das es einfach auf den Punkt bringt. Drei fiktive Wahloptionen stehen auf diesem Plakat, die ungefähr so lauten: „Europa schönreden“, „Europa besser machen“, „Europa schlecht machen“. Von diesen drei Optionen ist „Europa besser machen“ deutlich hervorgehoben und angekreuzt, selbstverständlich mit dem Hinweis, bei der Wahl am 26. Mai ÖVP anzukreuzen.

„Europa besser machen“: Das trifft’s gut. Sich als „glühend proeuropäisch“ zu deklarieren und „mehr Europa“ zu fordern, ist längst kein Alleinstellungsmerkmal. Alle nennenswerten Parteien mit Ausnahme der FPÖ befinden sich im proeuropäischen Spektrum und haben dennoch ganz unterschiedliche Vorstellungen von der Zukunft Europas. Natürlich gilt es immer wieder zu betonen, dass Personen kandidieren, die kein Interesse an konstruktiver Europapolitik haben, die die Mehrheitsfindung im Europäischen Parlament erschweren und die so auch Initiativen im Interesse Österreichs aus Prinzip blockieren. Und selbstverständlich gilt es zu unterstreichen, dass wir der politischen Einigung in Europa langanhaltenden Frieden, Wohlstand, Arbeitsplätze, Hochgeschwindigkeitszugstrecken, kostenfreies Roaming und Kreisverkehre verdanken.

Bei dieser Aufzählung fehlen aber auffallend oft jene Errungenschaften, die für den Erfolg der EU wesentlich verantwortlich sind: Reisefreiheit, Arbeitnehmerfreizügigkeit, Mobilität in der Bildung, Kapitalfreiheit. Unter den vielen „glühenden Europäern“ gibt es einige, die die EU und ihre Freiheiten als Elitenprojekt, als Projekt für die Konzerne, als „neoliberales“ Konstrukt desavouieren. Wer so spricht, gefährdet die europäische Einigung mindestens genauso wie die Demokratieverweigerer auf der anderen Seite.

Ein ehrliches Bekenntnis zu den europäischen Freiheiten grenzt Bürgerliche schon einmal klar von jenen ab, die den europäischen Binnenmarkt zerstören möchten, um daraus eine große, „glühend europäische“ Umverteilungsmaschinerie zu machen.

Apropos Geldverteilen: Gerade erst haben Rat und Parlament eine Verordnung gestoppt, die den Export des Arbeitslosengeldes für 15 Monate ermöglicht hätte. Im Klartext hätte das bedeutet, dass eine Person, die in Österreich gearbeitet hat, aber in z.B. Ungarn lebt, österreichische Arbeitslosenleistungen bekommt, ohne dass Österreich die Chance hätte, effektiv zu kontrollieren, ob sich die Person auch wirklich irgendwo um Arbeit bemüht. Es spricht für die europäischen Institutionen, dass dieses Dossier vorerst vertagt wurde.

Für manche ist es schwierig, eine echte emotionale Verbindung zur EU aufzubauen, andere sind wiederum bekennende Unionsbürger und hören jeden Tag dreimal den wunderbaren Bilderbuch-Song „Europa 22“. Auch unter uns katholischen Couleurstudenten gibt es einerseits solche, die unser zweites Prinzip vor allem als EuroPatria verstehen, andererseits jene, die die EU zwar eh super finden, mit einem Europatriotismus emotional aber wenig anfangen können. Es lohnt sich, genauer hinzuschauen: Hinter dem von NEOS propagierten Feel-Good-Slogan „Vereinigte Staaten von Europa“ verbirgt sich eigentlich nichts Konkretes. Vor allem die Forderungen „Experten-Verfassung für Europa“ und „Selbstbewussteres EU-Parlament“ wirken so, als hätten die Autoren den Vertrag von Lissabon verschlafen. Mir persönlich ist jedenfalls die wachsende Verhandlungsdominanz der technokratisch orientierten Europäischen Kommission bei Gesetzesvorschlägen deutlich suspekter als das Feindbild der Late-Night-Show-Politiker, der Europäische Rat. Ob ein pinker EU-Pass gut aussehen würde, kann jeder für sich überlegen. Bei einem europäischen Super-Föderalstaat müsste man sich ehrlicherweise vor allem die echt knifflige Frage stellen, welche Kompetenzen am besten auf europäischer und welche auf nationaler Ebene entschieden werden. Doch über diese schwierigen Fragen surft man auf der pinken Europawelle lieber drüber. Und ich bezweifle stark, dass Liberale und Bürgerliche für einen potenziell zentralistischen, geldverteilenden, „glühend europäischen“ Superstaat eintreten sollten.

„Europa besser machen“ bedeutet für mich daher auch, Fehlentwicklungen klar aufzuzeigen.

Jean-Claude Juncker hat etwa als Antwort auf europakritische Populisten eine Europäische Säule sozialer Rechte ausgerufen. Mehr Geld, mehr Ansprüche, mehr Sozialismus, eine sehr zweifelhafte Antwort auf europakritische Parteien. Ein konkretes Ergebnis dieser Säule sozialer Richte ist die kürzlich beschlossene, deutlich erweiterte Nachweisrichtlinie, die unter anderem den Dienstzettel regelt. Man wollte damit die Gig Economy rund um Foodora, Uber etc in den Griff bekommen, wo Personen auf Online-Plattformen kleine Aufträge annehmen und nicht immer ein geregeltes Arbeitsverhältnis haben. Mit der neuen Richtlinie müssen aber nicht nur die großen Plattformen bereits am ersten Arbeitstag seitenweise Dokumente abliefern, sondern auch das Restaurant ums Eck, das kurzfristig einen zusätzlichen Kellner einstellt. Ein klassischer Fall von EU-Bürokratie, die man eigentlich in den Griff kriegen wollte.

Die Europäische Union sollte aber dort verstärkt tätig werden, wo die großen Herausforderungen unserer Zeit liegen: Es braucht eine selbstbewusste Handelspolitik in Zeiten von Trump’schem Protektionismus und chinesischen Allmachtsfantasien, eine konsequente Sicherheitspolitik mit einem effektiven Außengrenzschutz in Zeiten der gefährdeten Reisefreiheit innerhalb Europas, einen starken und zukunftsorientierten Binnenmarkt mit weniger Bürokratie in Zeiten der ökonomischen Veränderungen. Dass ich im Team Volkspartei als einer von drei überzeugten MKVern dafür (wahl‑)kämpfen darf, Europa besser zu machen, freut mich daher ganz besonders.

Mag. Severin Gruber, LL.M. (FRL)

war im Studienjahr 2014/15 OÖMKV-Landessenior und arbeitet nun als Jurist bei der Industriellenvereinigung. Er ist Mitglied des Management Boards der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Eurofound) und des Ausschusses des Europäischen Sozialfonds (ESF).

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